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...der etwas andere Gottesdienst! |
![]() Ev. Kirchengemeinde Münchingen |
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> zurück Predigt: Was trägt, wenn nichts mehr hältManchmal erscheint das Leben schon wie der Weg am Seil über einem Abgrund. Man fühlt sich hoch oben, traut sich etwas zu, weiß aber nicht, ob es auch gelingt. Vielleicht geht ein Schritt daneben, vielleicht fehlt im nächsten Moment die Konzentration, vielleicht kommt reisst das Seil und der Halt geht verloren. Leben wie ein Weg im Klettersteig. Das ist noch ganz gut zu verkraften, wenn man es sich ausgewählt hat - aus Leidenschaft z.B., aus Begeisterung für das Risiko. Leben am Klettersteig ist auch dann noch gut, wenn der Weg über eine steile Strecke, dann aber ans Ziel führt und zu einer neuen Chance. Leben nur noch an einem Seil wird zur Zitterpartie, wenn man es eigentlich gerne anders hätte - ein bisschen sicherer, ein bisschen stabiler und verlässlicher, mit ein bisschen mehr Halt. Was trägt, wenn nichts mehr hält Manchmal erscheint das Leben schon wie der Weg am Seil über einem Abgrund. Man fühlt sich hoch oben, traut sich etwas zu, weiß aber nicht, ob es auch gelingt. Vielleicht geht ein Schritt daneben, vielleicht fehlt im nächsten Moment die Konzentration, vielleicht kommt reisst das Seil und der Halt geht verloren. Leben wie ein Weg im Klettersteig. Das ist noch ganz gut zu verkraften, wenn man es sich ausgewählt hat - aus Leidenschaft z.B., aus Begeisterung für das Risiko. Leben am Klettersteig ist auch dann noch gut, wenn der Weg über eine steile Strecke, dann aber ans Ziel führt und zu einer neuen Chance. Leben nur noch an einem Seil wird zur Zitterpartie, wenn man es eigentlich gerne anders hätte - ein bisschen sicherer, ein bisschen stabiler und verlässlicher, mit ein bisschen mehr Halt. Leben wie am Seil überm Abgrund - so können wir uns wohl fühlen, wenn uns die Nachrichten sagen, wie bedroht und unsicher unsere Welt geworden ist. Was trägt, wenn nichts mehr hält Manchmal erscheint das Leben schon wie der Weg am Seil über einem Abgrund. Man fühlt sich hoch oben, traut sich etwas zu, weiß aber nicht, ob es auch gelingt. Vielleicht geht ein Schritt daneben, vielleicht fehlt im nächsten Moment die Konzentration, vielleicht kommt reisst das Seil und der Halt geht verloren. Leben wie ein Weg im Klettersteig. Das ist noch ganz gut zu verkraften, wenn man es sich ausgewählt hat - aus Leidenschaft z.B., aus Begeisterung für das Risiko. Leben am Klettersteig ist auch dann noch gut, wenn der Weg über eine steile Strecke, dann aber ans Ziel führt und zu einer neuen Chance. Leben nur noch an einem Seil wird zur Zitterpartie, wenn man es eigentlich gerne anders hätte - ein bisschen sicherer, ein bisschen stabiler und verlässlicher, mit ein bisschen mehr Halt. Leben wie am Seil überm Abgrund - so können wir uns wohl fühlen, wenn uns die Nachrichten sagen, wie bedroht und unsicher unsere Welt geworden ist. Die Nachricht vom vereitelten Bombenanschlag in Jordanien mit Tausenden von kalkulierten Toten hat mich betroffen gemacht. Es war nur noch wenige Woche bis zu unserem Flug nach Kreta als Familie. Auf einmal war ein ganz schreckliches Szenario vor meinen Augen: Wir als 6köpfige Familie in einem Flugzeug, dass gekidnappt wird, um in eine Menschenmenge zu rasen. Womit würde ich dann meine Kinder trösten? Auch Tagträume können manchmal Angst machen. Es kann aber auch sein, dass uns gar nicht die große Weltpolitik bedroht. Wir sind wohl etabliert, fernab der Unruhe unserer Tage und plötzlich trifft es uns. Plötzlich stürzen die Zwillingstürme unserer Hoffnungen mit einem Schlag in sich zusammen. Das kann ein einziges Wort sein, eine Diagnose des Arzte, ein Bruchteil einer Sekunde im Strassenverkehr und nichts ist mehr wie es vorher war. Da kommt das Lebensseil ganz schön ins Schwanken. Ob einer da nochmal einen Halt findet? Aber nicht nur das Schreckliche, der Terror kann uns unsicher machen. Manchmal sind es einfach die Umbrüche im Laufe eines Lebens, die uns auf einmal das Gefühl vermitteln wie ein Kletterer am Seil über einem Abgrund zu schweben. Vielleicht schaffe ich es, schließlich habe ich mich darauf vorbereitet. Vielleicht aber geht es auch daneben und ich baue einen Riesensturz, der mir womöglich das Genick bricht. Ob da ein Netz helfen würde, eine Sicherung, die sich unter mir spannt und die mich auffängt, wenn ich ausgleite? Vor vielen Jahren wurde unter jungen Menschen in einer Umfrage erforscht, mit welcher Grundstimmung sie dem Leben entgegenschauen würden. Die Antwort war bewegend. 60% nannten als eine der Grundstimmungen die Angst, die Angst nicht vor irgendetwas, sondern die Angst vor dem Leben. Kann das sein, dass wir dazu in der Welt sind, um Angst zu haben? Angst als Zeichen von Schutzlosigkeit und Unsicherheit, von Haltlosigkeit und Ungeborgensein. In der Bibel steht eine ganz schlichte Aussage, die mir wie ein Schlüssel zu einer Antwort erscheint. Da steht im Neuen Testament, in einem Brief eines Jüngers Jesu: "Furcht ist nicht in der Liebe." Furcht oder Angst und Liebe schließen sich gegenseitig aus. Entweder ich lebe in Angst, dann heißt das aber, ich kenne und erfahre keine Liebe, ich bin beziehungslos. Oder ich lebe in der Liebe, umgeben und getragen von ihr, dann aber kann mich die Angst nicht beherrschen. Angst gibt es in der Liebe nicht. Interessant ist, dass dieser Jünger, dessen Brief an eine junge Gemeinde diese Worte entstammen, auch einen Bericht vom Leben Jesu geschrieben hat. In diesem Bericht nennt er nie seinen Namen, sondern er verbirgt seine Person hinter dem Titel: Der Jünger, den Jesus lieb hatte. Er war also selbst jemand, der erfahren hat, was es heißt, angenommen, begleitet, getragen, also geliebt zu sein. Er selbst hatte zu Jesus eine Beziehung, die ihn stark machte, sicher und frei. Furcht ist nicht in der Liebe. Dieses Wort ging mir bei einer kleinen Begebenheit in unserer Verlobungszeit durch den Sinn. Wir waren mit Freunden in den Ferien nach Spanien gefahren und verbrachten einen Tag am Strand. Die Wellen dort waren hoch, für mich ein bezaubernder Anblick vom Strand aus. Für meinen Jürgen eine Verlockung in ihnen zu toben und zu schwimmen. Eine Zeitlang ließ er mich am Strand sitzen. Dann kam er und nahm mich bei der Hand. Er wollte, dass ich auch zum Baden mitkomme. Man hatte mich aber gelehrt, dass hoher Wellengang vorallem dort gefährlich ist, wo sich die Wellen am Ufer brechen. Also hatte ich Angst vor diesen ersten paar Metern, bis wir ein Stück draussen sein würden und auf den Wellen würden treiben und schaukeln können. Ich wollte mich sträuben, aber dann dachte ich: Wenn er mich liebt, dann wird er jetzt nichts von mir verlangen, was er mir nicht zutraut. Wenn er mich liebt und meine Angst versteht, dann will er mir jetzt helfen, diese Angst zu überwinden. Dann kann ich sie eigentlich auch ablegen. Furcht und Liebe passen nicht zusammen. Und wenn wir uns umschauen, dann stimmt das. Wo wir von Menschen geachtet, geehrt und geliebt werden, da ist uns das eine gewissen Sicherheit. Es kann eine große Ermutigung sein, wenn wir einen Neustart wagen und einer geht mit uns. Es kann sehr tröstend sein, wenn etwas schief gegangen ist und wir sind nicht allein. Es kann ermutigen, die Angst mit anderen zu teilen. Beziehungen können uns tragen wie ein Netz, auffangen und festhalten. Das hat der Schöpfer gewusst und hat deshalb am Anfang aller Dinge nicht den Superman oder die Powerfrau geschaffen sondern ein Paar. Deshalb kommen wir auch bis heute nicht als Solisten auf die Welt, sondern sind vom Anfang unseres Lebens an, mit so allerlei Menschen verknüpft. Wir sind hineingeknüpft in ein Netz und wer sich herauslöst, der tut es in der Regel nie ohne leidvolle Erfahrungen. Bei uns allerdings weist das Beziehungsnetz große Lücken auf, es scheint fast, als zerbrösele es unter unseren Händen. Wir haben das Gefühl, wir brauchen einander nicht, schließlich bietet uns der Sozialstaat ein Auskommen. Wir verlernen es, auch mit Menschen in der U-Bahn oder im Laden höflich und respektvoll umzugehen, wir konzentrieren uns auf uns selbst und merken gar nicht, dass wir den Halt verlieren und die Angst wächst. Eigentlich hatte Gott sich das nicht so gedacht. Weil er wusste, dass wir Menschen manchmal ganz fürchterlich und auch furchterregend umgehen können, hat er in unser Leben Gebote hineingelegt, Anordnungen, heute würde man sagen Core Values, die uns helfen sollen, miteinander auszukommen. Leider wir sind dabei, sie zu verachten. Nicht stehlen und betrügen? Aber wenn es doch die hohen Tiere tun, warum sollte ich dann nicht mit meinen Steuern so umgehen, dass möglichst viel für mich dabei herausspringt. Vater und Mutter ehren? Wenn wir Sozialeinrichtungen haben, warum sollte ich mich um die Alten kümmern. Sie haben ihre Schuldigkeit getan, weil sie es wollten, das ist ja nicht mein Problem. Über den anderen nie schlecht reden? Warum sollte ich nicht auch einmal über jemanden herziehen, ob das Gerücht nun stimmt oder nicht. Schließlich macht es Spaß und die Aufmerksamkeit der anderen ist mir gewiß. Ein Professor der Theologie (H.Tielicke) hat einmal gesagt: "Wo Gottes Gebote nicht mehr gelten, da beginnen die Menschen einander zu misstrauen." Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr merke ich: Er hat Recht. Es macht sich wirklich Misstrauen um uns breit. Aus Misstrauen aber wächst eine immer größere Einsamkeit und in der Einsamkeit liegen neue Ängste verborgen. Doch Gottes Plan ist wirklich anders. Er will nicht, dass wir haltlos sind, sondern dass wir getrost und mutig leben. Und er will, dass wir mit ihm leben. Ein Netz hat ja nun nicht nur eine Art von Fäden, nicht nur die Fäden, die die Fläche des Netzes ausmachen, bestimmen, ob es groß oder klein ist. Ein Netz hat auch immer Fäden, die es festhalten - das Spinnennetz am Grashalm und die Hängematte zwischen den Bäumen, das Artistennetz unter der Zirkuskuppel. Eine Spinne weiß es ganz genau - bei allen Rationalisierungsmaßnahmen, den Faden nach oben kann sie nicht einsparen. Wenn sie den einspart, dann fällt ihr Netz in sich zusammen, sie fängt keine einzige Fliege und hat nichts, wovon sie leben könnte. Nur wir Menschen meinen da schlauer zu sein: Dass der Faden nach oben wichtig sein könnte, ziehen wir gar nicht erst in Betracht. Aber - ohne den Faden nach oben haben auch wir irgendwann einmal nichts mehr zu leben. Mancher merkt das im Laufe der Jahre, resigniert daran oder verzweifelt. Mancher merkt es erst im Sterben, wenn es ganz augenfällig wird, dass der Mensch dann allein nichts mehr zum Leben hat. Dann hat wirklich nur noch der etwas, wovon er zehren kann, der diesen Faden nach oben kennt. Das Neue Testament erzählt uns eine Geschichte, in der beide Fäden ihre Bedeutung haben. Es erzählt von einem Mann, der gelähmt war. Einen Rollstuhl gab es noch nicht, Rehabilitation- und Behindertensport auch nicht. Bei seinen Alterskameraden konnte er nicht mithalten und seiner Familie war er eher lästig, weil sie nicht so gerne einen Esser am Tisch hatten, der zum täglichen Brot nichts beitragen konnte. Doch eines hatte dieser Mann und das hielt ihn aufrecht. Er hatte treue Freunde. Das war durchaus nicht üblich, denn die allgemeine Ansicht war, wem es dreckig geht, ist selbst schuld daran. Aus irgendeinem Grund kann ihn Gott nicht mehr lieb haben. Doch dieser Mann hatte noch Freunde, Freunde, die ihn nicht nur bemitleideten, sondern auch tatkräftig mit anpackten. Sie schnappten sich nämlich die vier Ecken seiner Matte, auf der er zu liegen pflegte und brachten ihn zu Jesus. Denn sie hatten gehört, dass Jesus in der Lage ist, Gelähmte und andere zu heilen. Da wollten sie nichts unversucht lassen. Also scheuten sie nicht Kosten und Mühe, ihn Jesus vor die Füße zu legen. Was für ein Halt! Ein starkes Beziehungsnetz, dass auch jetzt noch im Leid ihn tragen konnte. Nun liegt der Mann also vor Jesus, peinlicherweise unter den Augen vieler, die auch da sind, und wartet, dass Jesus ihn heilt. Aber Jesus sieht noch etwas anderes. Er weiß, dass nicht nur die Beine nicht so richtig wollen, sondern dass auch die Seele dieses Menschen krankt. Er ist sich nicht sicher, ob Gott ihn liebt. Er weiß nicht, ob nicht doch eine Schuld zu seiner Krankheit geführt hat. Nicht jeder geht mit seinem Körper so um, dass er unversehrt bleibt. Er sehnt sich nicht nur nach gesunden Beinen, er will auch gerne wissen, dass er Zugang zu Gott hat, dass er geliebt und von ihm angenommen ist. Jesus sieht auch das und weiß, dass gesunde Beine toll sind, aber ein fröhliches Herz noch tausendmal mehr wert. Und deshalb bringt er zunächst einmal das Wichtigste in Ordnung und sagt: "Was Dich bedrückt, ist Dir genommen. Deine Sünde ist dir vergeben. Du bist ein Kind Gottes und Gott ist dein Freund." Und dann heilt er den Mann auch noch. Er macht ihn wieder fähig, Schritt um Schritt zu gehen, aufzustehen, seine Matte selbst unter den Arm zu klemmen und den Heimweg selbstständig anzutreten. Er hat jetzt mehr als eine Freundeskreis, er hat eine Verankerung im Himmel gefunden. Leider denken ja noch viele: Wenn ich meine Fäden nach oben spanne, wenn ich in Verbindung zu Gott trete, wenn ich mich gar an ihn binde, dann gleiche ich eher einer Marionette. Er, der Herrgott, sei es dann, der ziehe, damit sich meine Arme und Beine bewegen, er bewege das Fadenkreuz, damit ich mit dem Kopf nicke oder mich ihm beuge. Religion sei etwas, bei dem man den Verstand besser gleich an der Garderobe abgibt. Dieser Meinung liegen allerdings mindestens zwei fatale Denkfehler zugrunde. Wollte Gott uns als Marionette, dann hätte er sich viel Arbeit erspart, wenn er nicht eine Unzahl von Gaben und Fähigkeiten in uns hineingelegt hätte. Dann hätte er uns besser gleich ohne einen scharfen Verstand, ohne eigene Ideen, ohne unsere Kreativität erschaffen. Gerade unter dem Denkvermögen des Menschen und seiner Eigenständigkeit haben alle Diktaturen dieser Erde gelitten und haben versucht, sie durch einen immensen Polizeiapparat auszuschalten. Wie aber sollte Gott uns zum Schöpferischen geschaffen haben, wenn wir es nicht auch einsetzen können!? Der zweite Denkfehler in Sachen Religion liegt darin, dass viele meinen, ohne Gott hätte der Mensch die Fäden selbst in der Hand, könne er sein Leben selbst steuern. Es braucht in der Regel manche Erschütterungen, bis klar wird, wie beeinflußt und gebunden wir in jedem Fall sind. Es ist einfach nicht so, dass wir frei sind, wenn wir entscheiden, uns an nichts zu binden. Ich denke nicht, dass wir die Wahl haben, frei zu sein oder uns zu binden. Wir haben nur die Wahl: An wen oder was wir uns binden, in welche Richtung wir die Fäden unseres Netzes spannen. Und hier nun gilt das Angebot, uns an den zu binden, der uns vollkommen liebt. Denn so geht der Gedankengang im Brief des Jesusjüngers weiter - erinnert Ihr Euch: Furcht ist nicht in der Liebe? - "Wirkliche Liebe ist frei von Angst. Ja, die Liebe vertreibt sogar die Angst. Wer sich also fürchtet und vor der Strafe zittert, der beweist damit nur, dass er wirkliche Liebe noch nicht kennt. Wir wollen lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat." (1.Joh.4,17-19) D.h.: hier ist die Einladung ausgesprochen: Lass dich halten und prägen von einer starken Liebe, von einer Liebe, die so stark ist, dass sie Gott in den Tod zwingt, damit du selbst dann nicht allein bist, wenn alle anderen Fäden zwangsläufig reißen. Und das besondere ist: Die Seile des Vaters reißen nicht, weil nicht wir sie halten, sondern weil er sie knüpft und stark macht. Weil die Qualität des Netzes zwischen Gott und mir nicht an mir liegt, deshalb darf ich sicher sein. Glaube heißt eben nicht, ich knüpfe ein Netz zu Gott, sondern er hat ein Netz für mich. Er lebt mir vor, wie das so ist, wenn einer trägt und hält. Er macht mir klar, worauf es ankommt. An ihm kann ich erfahren und lernen, was stark macht. Durch ihn kann ich leben, was andere stärkt und was mein Beziehungsnetz tragfähig macht. Das Leben ein Drahtseilakt - das mag sein. Manchmal mit Bauchkribbeln in die Zukunft sehen, manchmal nicht wissen, ob man sicher am anderen Ende ankommt. Dann aber möchte ich mein Leben so leben, wie es die Leute auf dem Marktplatz der kleinen Stadt gesehen haben. Sie standen alle da und starrten nach oben, weil da ein Künstler über ein Seil balancierte, das über ihren Köpfen gespannt war. Er ging allein darüber, mit einem Stab, ohne den Stab, mit ein paar Jonglierbällen in der Hand - er konnte das alles. Die Leute staunten und klatschten in die Hände. Schließlich nahm er eine Schubkarre zu sich heraus und balancierte noch einmal hin und her. Dann hielt er an auf dem kleinen Sitz über der Stange und rief hinunter: "Sie sehen, was ich kann. Haben Sie doch den Mut und kommen Sie zu mir herauf. Setzen Sie ich in die Schubkarre und ich fahre sie über das Seil." Es wurde totenstill auf dem Platz. "Kommen Sie, Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bringe Sie sicher hinüber!", rief er noch einmal. Aber niemand hatte den Mut, sich zu melden. Doch da - streckte ein kleiner Junge, kletterte hinauf, setzte sich in die Karre - die Menge hielt den Atem an. Staunend sahen sie wie der Mann die Schubkarre über das Seil schob, am anderen Ende wendete und zurück fuhr. Als der Junge wieder heruntergekommen war, fragten ihn die Leute: "Mensch, hast du denn keine Angst gehabt?" - "Nein, rief der Junge, wieso auch. Ich kenne den Mann. Er ist doch mein Vater." Die Nachricht vom vereitelten Bombenanschlag in Jordanien mit Tausenden von kalkulierten Toten hat mich betroffen gemacht. Es war nur noch wenige Woche bis zu unserem Flug nach Kreta als Familie. Auf einmal war ein ganz schreckliches Szenario vor meinen Augen: Wir als 6köpfige Familie in einem Flugzeug, dass gekidnappt wird, um in eine Menschenmenge zu rasen. Womit würde ich dann meine Kinder trösten? Auch Tagträume können manchmal Angst machen. Es kann aber auch sein, dass uns gar nicht die große Weltpolitik bedroht. Wir sind wohl etabliert, fernab der Unruhe unserer Tage und plötzlich trifft es uns. Plötzlich stürzen die Zwillingstürme unserer Hoffnungen mit einem Schlag in sich zusammen. Das kann ein einziges Wort sein, eine Diagnose des Arzte, ein Bruchteil einer Sekunde im Strassenverkehr und nichts ist mehr wie es vorher war. Da kommt das Lebensseil ganz schön ins Schwanken. Ob einer da nochmal einen Halt findet? Aber nicht nur das Schreckliche, der Terror kann uns unsicher machen. Manchmal sind es einfach die Umbrüche im Laufe eines Lebens, die uns auf einmal das Gefühl vermitteln wie ein Kletterer am Seil über einem Abgrund zu schweben. Vielleicht schaffe ich es, schließlich habe ich mich darauf vorbereitet. Vielleicht aber geht es auch daneben und ich baue einen Riesensturz, der mir womöglich das Genick bricht. Ob da ein Netz helfen würde, eine Sicherung, die sich unter mir spannt und die mich auffängt, wenn ich ausgleite? Vor vielen Jahren wurde unter jungen Menschen in einer Umfrage erforscht, mit welcher Grundstimmung sie dem Leben entgegenschauen würden. Die Antwort war bewegend. 60% nannten als eine der Grundstimmungen die Angst, die Angst nicht vor irgendetwas, sondern die Angst vor dem Leben. Kann das sein, dass wir dazu in der Welt sind, um Angst zu haben? Angst als Zeichen von Schutzlosigkeit und Unsicherheit, von Haltlosigkeit und Ungeborgensein. In der Bibel steht eine ganz schlichte Aussage, die mir wie ein Schlüssel zu einer Antwort erscheint. Da steht im Neuen Testament, in einem Brief eines Jüngers Jesu: "Furcht ist nicht in der Liebe." Furcht oder Angst und Liebe schließen sich gegenseitig aus. Entweder ich lebe in Angst, dann heißt das aber, ich kenne und erfahre keine Liebe, ich bin beziehungslos. Oder ich lebe in der Liebe, umgeben und getragen von ihr, dann aber kann mich die Angst nicht beherrschen. Angst gibt es in der Liebe nicht. Interessant ist, dass dieser Jünger, dessen Brief an eine junge Gemeinde diese Worte entstammen, auch einen Bericht vom Leben Jesu geschrieben hat. In diesem Bericht nennt er nie seinen Namen, sondern er verbirgt seine Person hinter dem Titel: Der Jünger, den Jesus lieb hatte. Er war also selbst jemand, der erfahren hat, was es heißt, angenommen, begleitet, getragen, also geliebt zu sein. Er selbst hatte zu Jesus eine Beziehung, die ihn stark machte, sicher und frei. Furcht ist nicht in der Liebe. Dieses Wort ging mir bei einer kleinen Begebenheit in unserer Verlobungszeit durch den Sinn. Wir waren mit Freunden in den Ferien nach Spanien gefahren und verbrachten einen Tag am Strand. Die Wellen dort waren hoch, für mich ein bezaubernder Anblick vom Strand aus. Für meinen Jürgen eine Verlockung in ihnen zu toben und zu schwimmen. Eine Zeitlang ließ er mich am Strand sitzen. Dann kam er und nahm mich bei der Hand. Er wollte, dass ich auch zum Baden mitkomme. Man hatte mich aber gelehrt, dass hoher Wellengang vorallem dort gefährlich ist, wo sich die Wellen am Ufer brechen. Also hatte ich Angst vor diesen ersten paar Metern, bis wir ein Stück draussen sein würden und auf den Wellen würden treiben und schaukeln können. Ich wollte mich sträuben, aber dann dachte ich: Wenn er mich liebt, dann wird er jetzt nichts von mir verlangen, was er mir nicht zutraut. Wenn er mich liebt und meine Angst versteht, dann will er mir jetzt helfen, diese Angst zu überwinden. Dann kann ich sie eigentlich auch ablegen. Furcht und Liebe passen nicht zusammen. Und wenn wir uns umschauen, dann stimmt das. Wo wir von Menschen geachtet, geehrt und geliebt werden, da ist uns das eine gewissen Sicherheit. Es kann eine große Ermutigung sein, wenn wir einen Neustart wagen und einer geht mit uns. Es kann sehr tröstend sein, wenn etwas schief gegangen ist und wir sind nicht allein. Es kann ermutigen, die Angst mit anderen zu teilen. Beziehungen können uns tragen wie ein Netz, auffangen und festhalten. Das hat der Schöpfer gewusst und hat deshalb am Anfang aller Dinge nicht den Superman oder die Powerfrau geschaffen sondern ein Paar. Deshalb kommen wir auch bis heute nicht als Solisten auf die Welt, sondern sind vom Anfang unseres Lebens an, mit so allerlei Menschen verknüpft. Wir sind hineingeknüpft in ein Netz und wer sich herauslöst, der tut es in der Regel nie ohne leidvolle Erfahrungen. Bei uns allerdings weist das Beziehungsnetz große Lücken auf, es scheint fast, als zerbrösele es unter unseren Händen. Wir haben das Gefühl, wir brauchen einander nicht, schließlich bietet uns der Sozialstaat ein Auskommen. Wir verlernen es, auch mit Menschen in der U-Bahn oder im Laden höflich und respektvoll umzugehen, wir konzentrieren uns auf uns selbst und merken gar nicht, dass wir den Halt verlieren und die Angst wächst. Eigentlich hatte Gott sich das nicht so gedacht. Weil er wusste, dass wir Menschen manchmal ganz fürchterlich und auch furchterregend umgehen können, hat er in unser Leben Gebote hineingelegt, Anordnungen, heute würde man sagen Core Values, die uns helfen sollen, miteinander auszukommen. Leider wir sind dabei, sie zu verachten. Nicht stehlen und betrügen? Aber wenn es doch die hohen Tiere tun, warum sollte ich dann nicht mit meinen Steuern so umgehen, dass möglichst viel für mich dabei herausspringt. Vater und Mutter ehren? Wenn wir Sozialeinrichtungen haben, warum sollte ich mich um die Alten kümmern. Sie haben ihre Schuldigkeit getan, weil sie es wollten, das ist ja nicht mein Problem. Über den anderen nie schlecht reden? Warum sollte ich nicht auch einmal über jemanden herziehen, ob das Gerücht nun stimmt oder nicht. Schließlich macht es Spaß und die Aufmerksamkeit der anderen ist mir gewiß. Ein Professor der Theologie (H.Tielicke) hat einmal gesagt: "Wo Gottes Gebote nicht mehr gelten, da beginnen die Menschen einander zu misstrauen." Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr merke ich: Er hat Recht. Es macht sich wirklich Misstrauen um uns breit. Aus Misstrauen aber wächst eine immer größere Einsamkeit und in der Einsamkeit liegen neue Ängste verborgen. Doch Gottes Plan ist wirklich anders. Er will nicht, dass wir haltlos sind, sondern dass wir getrost und mutig leben. Und er will, dass wir mit ihm leben. Ein Netz hat ja nun nicht nur eine Art von Fäden, nicht nur die Fäden, die die Fläche des Netzes ausmachen, bestimmen, ob es groß oder klein ist. Ein Netz hat auch immer Fäden, die es festhalten - das Spinnennetz am Grashalm und die Hängematte zwischen den Bäumen, das Artistennetz unter der Zirkuskuppel. Eine Spinne weiß es ganz genau - bei allen Rationalisierungsmaßnahmen, den Faden nach oben kann sie nicht einsparen. Wenn sie den einspart, dann fällt ihr Netz in sich zusammen, sie fängt keine einzige Fliege und hat nichts, wovon sie leben könnte. Nur wir Menschen meinen da schlauer zu sein: Dass der Faden nach oben wichtig sein könnte, ziehen wir gar nicht erst in Betracht. Aber - ohne den Faden nach oben haben auch wir irgendwann einmal nichts mehr zu leben. Mancher merkt das im Laufe der Jahre, resigniert daran oder verzweifelt. Mancher merkt es erst im Sterben, wenn es ganz augenfällig wird, dass der Mensch dann allein nichts mehr zum Leben hat. Dann hat wirklich nur noch der etwas, wovon er zehren kann, der diesen Faden nach oben kennt. Das Neue Testament erzählt uns eine Geschichte, in der beide Fäden ihre Bedeutung haben. Es erzählt von einem Mann, der gelähmt war. Einen Rollstuhl gab es noch nicht, Rehabilitation- und Behindertensport auch nicht. Bei seinen Alterskameraden konnte er nicht mithalten und seiner Familie war er eher lästig, weil sie nicht so gerne einen Esser am Tisch hatten, der zum täglichen Brot nichts beitragen konnte. Doch eines hatte dieser Mann und das hielt ihn aufrecht. Er hatte treue Freunde. Das war durchaus nicht üblich, denn die allgemeine Ansicht war, wem es dreckig geht, ist selbst schuld daran. Aus irgendeinem Grund kann ihn Gott nicht mehr lieb haben. Doch dieser Mann hatte noch Freunde, Freunde, die ihn nicht nur bemitleideten, sondern auch tatkräftig mit anpackten. Sie schnappten sich nämlich die vier Ecken seiner Matte, auf der er zu liegen pflegte und brachten ihn zu Jesus. Denn sie hatten gehört, dass Jesus in der Lage ist, Gelähmte und andere zu heilen. Da wollten sie nichts unversucht lassen. Also scheuten sie nicht Kosten und Mühe, ihn Jesus vor die Füße zu legen. Was für ein Halt! Ein starkes Beziehungsnetz, dass auch jetzt noch im Leid ihn tragen konnte. Nun liegt der Mann also vor Jesus, peinlicherweise unter den Augen vieler, die auch da sind, und wartet, dass Jesus ihn heilt. Aber Jesus sieht noch etwas anderes. Er weiß, dass nicht nur die Beine nicht so richtig wollen, sondern dass auch die Seele dieses Menschen krankt. Er ist sich nicht sicher, ob Gott ihn liebt. Er weiß nicht, ob nicht doch eine Schuld zu seiner Krankheit geführt hat. Nicht jeder geht mit seinem Körper so um, dass er unversehrt bleibt. Er sehnt sich nicht nur nach gesunden Beinen, er will auch gerne wissen, dass er Zugang zu Gott hat, dass er geliebt und von ihm angenommen ist. Jesus sieht auch das und weiß, dass gesunde Beine toll sind, aber ein fröhliches Herz noch tausendmal mehr wert. Und deshalb bringt er zunächst einmal das Wichtigste in Ordnung und sagt: "Was Dich bedrückt, ist Dir genommen. Deine Sünde ist dir vergeben. Du bist ein Kind Gottes und Gott ist dein Freund." Und dann heilt er den Mann auch noch. Er macht ihn wieder fähig, Schritt um Schritt zu gehen, aufzustehen, seine Matte selbst unter den Arm zu klemmen und den Heimweg selbstständig anzutreten. Er hat jetzt mehr als eine Freundeskreis, er hat eine Verankerung im Himmel gefunden. Leider denken ja noch viele: Wenn ich meine Fäden nach oben spanne, wenn ich in Verbindung zu Gott trete, wenn ich mich gar an ihn binde, dann gleiche ich eher einer Marionette. Er, der Herrgott, sei es dann, der ziehe, damit sich meine Arme und Beine bewegen, er bewege das Fadenkreuz, damit ich mit dem Kopf nicke oder mich ihm beuge. Religion sei etwas, bei dem man den Verstand besser gleich an der Garderobe abgibt. Dieser Meinung liegen allerdings mindestens zwei fatale Denkfehler zugrunde. Wollte Gott uns als Marionette, dann hätte er sich viel Arbeit erspart, wenn er nicht eine Unzahl von Gaben und Fähigkeiten in uns hineingelegt hätte. Dann hätte er uns besser gleich ohne einen scharfen Verstand, ohne eigene Ideen, ohne unsere Kreativität erschaffen. Gerade unter dem Denkvermögen des Menschen und seiner Eigenständigkeit haben alle Diktaturen dieser Erde gelitten und haben versucht, sie durch einen immensen Polizeiapparat auszuschalten. Wie aber sollte Gott uns zum Schöpferischen geschaffen haben, wenn wir es nicht auch einsetzen können!? Der zweite Denkfehler in Sachen Religion liegt darin, dass viele meinen, ohne Gott hätte der Mensch die Fäden selbst in der Hand, könne er sein Leben selbst steuern. Es braucht in der Regel manche Erschütterungen, bis klar wird, wie beeinflußt und gebunden wir in jedem Fall sind. Es ist einfach nicht so, dass wir frei sind, wenn wir entscheiden, uns an nichts zu binden. Ich denke nicht, dass wir die Wahl haben, frei zu sein oder uns zu binden. Wir haben nur die Wahl: An wen oder was wir uns binden, in welche Richtung wir die Fäden unseres Netzes spannen. Und hier nun gilt das Angebot, uns an den zu binden, der uns vollkommen liebt. Denn so geht der Gedankengang im Brief des Jesusjüngers weiter - erinnert Ihr Euch: Furcht ist nicht in der Liebe? - "Wirkliche Liebe ist frei von Angst. Ja, die Liebe vertreibt sogar die Angst. Wer sich also fürchtet und vor der Strafe zittert, der beweist damit nur, dass er wirkliche Liebe noch nicht kennt. Wir wollen lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat." (1.Joh.4,17-19) D.h.: hier ist die Einladung ausgesprochen: Lass dich halten und prägen von einer starken Liebe, von einer Liebe, die so stark ist, dass sie Gott in den Tod zwingt, damit du selbst dann nicht allein bist, wenn alle anderen Fäden zwangsläufig reißen. Und das besondere ist: Die Seile des Vaters reißen nicht, weil nicht wir sie halten, sondern weil er sie knüpft und stark macht. Weil die Qualität des Netzes zwischen Gott und mir nicht an mir liegt, deshalb darf ich sicher sein. Glaube heißt eben nicht, ich knüpfe ein Netz zu Gott, sondern er hat ein Netz für mich. Er lebt mir vor, wie das so ist, wenn einer trägt und hält. Er macht mir klar, worauf es ankommt. An ihm kann ich erfahren und lernen, was stark macht. Durch ihn kann ich leben, was andere stärkt und was mein Beziehungsnetz tragfähig macht. Das Leben ein Drahtseilakt - das mag sein. Manchmal mit Bauchkribbeln in die Zukunft sehen, manchmal nicht wissen, ob man sicher am anderen Ende ankommt. Dann aber möchte ich mein Leben so leben, wie es die Leute auf dem Marktplatz der kleinen Stadt gesehen haben. Sie standen alle da und starrten nach oben, weil da ein Künstler über ein Seil balancierte, das über ihren Köpfen gespannt war. Er ging allein darüber, mit einem Stab, ohne den Stab, mit ein paar Jonglierbällen in der Hand - er konnte das alles. Die Leute staunten und klatschten in die Hände. Schließlich nahm er eine Schubkarre zu sich heraus und balancierte noch einmal hin und her. Dann hielt er an auf dem kleinen Sitz über der Stange und rief hinunter: "Sie sehen, was ich kann. Haben Sie doch den Mut und kommen Sie zu mir herauf. Setzen Sie ich in die Schubkarre und ich fahre sie über das Seil." Es wurde totenstill auf dem Platz. "Kommen Sie, Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bringe Sie sicher hinüber!", rief er noch einmal. Aber niemand hatte den Mut, sich zu melden. Doch da - streckte ein kleiner Junge, kletterte hinauf, setzte sich in die Karre - die Menge hielt den Atem an. Staunend sahen sie wie der Mann die Schubkarre über das Seil schob, am anderen Ende wendete und zurück fuhr. Als der Junge wieder heruntergekommen war, fragten ihn die Leute: "Mensch, hast du denn keine Angst gehabt?" - "Nein, rief der Junge, wieso auch. Ich kenne den Mann. Er ist doch mein Vater." > zurück |
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